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EU in der Schuldenkrise: Merkel muss mehr Herzblut zeigen
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Bundeskanzlerin Angela Merkel
dpa Angela Merkel
  • FOCUS-online-Korrespondentin

Dass der türkische Regierungschef Erdogan die Kontakte zur EU vorübergehend auf Eis legen will, erhitzt in der Union die Gemüter. Dabei hat Europa ganz andere Probleme. Zeit, dass Merkel Klartext redet.

Zum Libanon ist es nur ein Katzensprung, nach Syrien auch nicht weit – trotzdem gehört Zypern zu Europa. Die Insel, auf der das Thermometer derzeit locker über 40 Grad steigt, ist in diesen Tagen sogar Zentrum in einem quasi europäischen Streitfall. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vermengt den jahrzehntelang schwelenden Konflikt um die geteilte Insel mit den Beitrittsverhandlungen seines Landes zur EU – er kündigte an, die Beziehungen zur EU während der Ratspräsidentschaft Zyperns 2012 einzufrieren – und erntet vor allem eines: verständnisloses Kopfschütteln. Selbst bei der „Cyprus Mail“ landet der große Nachbar damit nicht auf Seite eins. Man hat derzeit andere Sorgen: die Krisen-Bewältigung nach der schweren Explosion der vergangenen Woche, als unsachgemäß gelagerte Munition in die Luft flog. Die schlechte Wirtschaftslage und natürlich die Griechenland-Krise, die auch Zypern zu schaffen macht.

Der Streit, den das Thema zwischen München und Berlin entfacht hat, kann darum nur verwundern. Natürlich bietet Erdogans Vorstoß eine Steilvorlage für die CSU, die ihre berechtigte Skepsis gegenüber einem EU-Beitritt der Türkei zu jedem Anlass positioniert und sich damit gegen die weich gespülte CDU stellt. Allerdings: Hat Europa derzeit nicht andere Sorgen? Nehmen CDU und CSU für sich nicht in Anspruch, die Europa-Parteien zu sein? Wo sind dann die Impulse, die von der Union ausgehen, um für das europäische Modell zu werben?

Europa ist weit mehr als eine Transferunion, die wir – ehrlich betrachtet – doch schon immer waren. Wenn es lange Jahre auch nicht um direkte Finanztransaktionen ging, so wurde innerhalb der Gemeinschaft doch stets ausgeglichen. Ob es nun Strukturschwächen oder Überkapazitäten sind – wer nicht klarkommt, wird mit umfangreichen Förderprogrammen unterstützt. Keine Frage: Die aktuelle Finanzkrise ist mit den bisherigen Ausgleichsmaßnahmen nicht zu vergleichen und sprengt auch rein zahlenmäßig alles bislang Dagewesene. Trotzdem kann die Antwort nur lauten: Es gibt keine Alternative zu Europa.

Europa als Friedensmodell


Das muss wieder ins Bewusstsein dringen. Das Herzblut, mit dem die Gründungsväter nach dem Zweiten Weltkrieg ans Werk gingen, ist der Mehrheit heute naturgemäß fremd. Sie ist aufgewachsen in einer Zeit, in der die Verbundenheit mit Franzosen, Italienern, Briten, Spaniern oder auch Polen eine Selbstverständlichkeit darstellt. Sogar gegen die Sowjetunion, die man noch einige Jahrzehnte fürchtete, galt die gemeinsame Idee im Westen Europas als Garant für Sicherheit. Es ist allzu menschlich, dass lang andauernde Zustände alsbald als Normalität wahrgenommen werden. Umso wichtiger ist es, Europa nachdrücklich als Friedensmodell zu preisen. Das kommt in den aktuellen Debatten um einzelne Tranchen und Schuldenschnitte leider zu kurz.

Gleiches gilt für die Bedeutung der Gemeinschaft in der globalisierten Welt. Um gegen China, Indien oder Lateinamerika mit den Wachstumskapazitäten dort Schritt halten zu können, muss der Kontinent zusammenstehen. Ein Land allein kann sich nicht behaupten, auch die Exportnation Deutschland nicht. Der Euro muss als eine Art Ersatz-Leitwährung Stabilität beweisen, will die alte Welt nicht werden, was viele ihr bereits nachsagen – eine ergraute alte Dame, die ihre besten Zeiten hinter sich hat.

Doch wer erklärt, dass dafür auch Kraftanstrengungen nötig sind? Wer erläutert, dass die schmerzhaften und unerfreulichen Hilfsleistungen heute eine Investition in die Zukunft sind? Wer stemmt sich gegen die Stimmung, die populistisch darauf zielt, schwierige Kandidaten aus der europäischen Gemeinschaft auszuschließen? Die Kanzlerin tut es leider viel zu projektbezogen, immer entlang der gerade getroffenen Gipfel-Beschlüsse. Dabei ist jetzt ihre Stimme mehr denn je gefordert – über die aktuellen Erfolge in Sachen Gläubigerbeteiligung hinaus. Sie muss das Europa von morgen skizzieren.

Gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik nötig


Angela Merkel muss erklären, dass eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik gebraucht wird, die Standards setzt für eine stetig wachsende Konsolidierung der Haushalte. Sie muss die wechselseitige Kontrolle vorantreiben. Sie muss den Menschen skizzieren, dass in der Welt von morgen auch eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Außenpolitik gebraucht wird. Kurzum: Die Kanzlerin muss deutlich machen, dass zur Überwindung der Krise mehr Europa nötig ist, nicht weniger.

Ein wenig Pathos darf dabei ruhig zu vernehmen sein. Das Thema gibt es auch her. Es gilt, der Generation der Älteren die Angst vor Instabilität des Friedens und der Währung zu nehmen. Und es gilt den Jüngeren klar zu machen, dass die Selbstverständlichkeit von Völkerfreundschaft Solidarität einfordert – um des gesamten Projekts Willen. Merkel sollte hier vorangehen und CDU plus Schwesterpartei mitziehen. Ganz selbstverständlich zeigt sie dann auch die Kernkompetenz der Union. Das hieße dann allerdings, dass diejenigen, die sich nach Erdogans Äußerungen die Köpfe über den Türkei-Beitritt heiß reden, den Zypern-Konflikt lieber als Beispiel dafür nennen sollten, wie Europa nicht wieder werden darf: durch Grenzen geteilt.
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